Nürnberg / Memmingen – Gärtnern mitten in der Stadt liegt im Trend. Immer mehr Kommunen stellen ihren Bürgern Grünflächen zur Verfügung, die sie mit Gemüse und Obst bepflanzen können. Doch nicht überall haben die Projekte so viel Erfolg wie in Nürnberg.
Die Radieschen sind schon reif. Marietta Madlener und ihre Tochter Madita freuen sich über die erste Ernte des Jahres. «Es macht Spaß, eigenes Gemüse zu pflanzen, wachsen zu sehen und dann zu ernten. Vor allem für Kinder ist das eine tolle Erfahrung», sagt Madlener. In ihrer Memminger Altstadtwohnung ohne Garten sei für Gemüse kein Platz. Die Radieschen hat sie deshalb im «Stattgarten» gepflanzt, einem Beet, das die Stadt für ihre Bürger in einem öffentlichen Park eingerichtet hat. Mit dieser Initiative liegt Memmingen voll im Trend. «Urban Gardening» – Gärtnern inmitten der Städte – heißt das Schlagwort, unter dem solche Projekte große und kleine Städte erobern. Bayernweit gibt es zahlreiche ähnliche Angebote.
Zucchini, Kürbisse, Tomaten, Bohnen, Kohlrabi und jede Menge Kräuter wachsen im Memminger «Stattgarten». Erst vor gut einem Monat wurde das Gemüsebeet an dem sonnigen Fleck hinter der Stadtmauer angelegt. Zusätzlich gibt es noch eine öffentliche Obstwiese. «Ein Ziel der Aktion ist, dass das Wohnen in der Altstadt weiter an Reiz gewinnt», sagt Michael Haider, Wirtschaftsförderer der Stadt und Initiator von «Stattgarten». Für die Bepflanzung und Pflege sind die Bürger zuständig. Wie Haider sagt, kommen Jung und Alt in den Gärten zusammen; das tägliche Gießen wird untereinander organisiert.
Auch in Augsburg wurde am Rand der Altstadt ein öffentliches Gemüsebeet für Bürger eingerichtet. «Jeder, der möchte, darf dort pflanzen und ernten», sagt Stephanie Schuhknecht, Sprecherin der Augsburger Grünen, die die Aktion initiiert haben. Der Startschuss fiel erst vor einer Woche. Fünf Tonnen Erde wurden verarbeitet, bevor Gemüse, Kräuter, Obst und Blumen eingesetzt wurden. «Die Menschen in dem Viertel freuen sich. Schon nach kurzer Zeit hat sich das Beet zu einem kleinen Treffpunkt entwickelt.»
In Regensburg wird seit 2013 auf öffentlichem Grün gegärtnert. Die Laiengärtner des Vereins Transition Regensburg bewirtschaften eine 300 Quadratmeter große Fläche hinter dem Alten Rathaus und weitere 500 Quadratmeter auf einer Insel zwischen zwei Donauarmen. Das Gartenamt half beim Start, weil der Boden am Donauufer nicht der beste war. Seitdem hat der Verein vor allem Beerensträucher und Gemüse gepflanzt. Mitmachen darf jeder, sagt der Leiter des Gartenamts, Dietrich Krätschell. Ab und zu schaut er, ob alles gut läuft. «Ich unterstütze das Prinzip sehr. Urban Gardening fördert den Sinn fürs Gemeinwohl, gepaart mit Umweltbildung.»
Einen Gemeinschaftsgarten gibt es auch in München. Am Leonrodplatz mitten in der Stadt haben die Hobbygärtner vom Verein «o’pflanzt is» auf 3300 Quadratmetern jede Menge Gemüse angepflanzt und öffnen ihren Garten für alle, die Lust haben mitzumachen.
Ein weiteres Projekt in München, bei dem Bürger öffentliche Flächen in ihrer Umgebung bepflanzen können, ist «Grünpaten». Hier arbeitet der Verein Green City seit 2011 mit der Stadt zusammen. Seit Anfang Juni hat er zudem mit Unterstützung der Stadt die «Essbare Stadt München» ins Leben gerufen – «Pflücken erlaubt» lautet das Motto auf dem Gelände am Rosengarten. «Es gibt eine sehr lebendige Urban-Gardening-Szene in München. Die Zahl der Projekte und Interessenten steigt von Jahr zu Jahr», sagt Silvia Gonzalez von Green City.
In Nürnberg gibt es nach Angaben der Stadt mehrere Angebote für Hobbygärtner, die öffentliche Grundstücke bepflanzen wollen. Der Trend habe sich längst etabliert. Begonnen hat alles vor drei Jahren. «Zuerst hatten wir nur Salatköpfe vor dem Opernhaus», erinnert sich Ulrike Goeken-Haidl vom Servicebetrieb Öffentlicher Raum. Die seien von ein paar «Witzbolden» gepflanzt worden, um die Idee bekannter zu machen. «Und dann nahm das Thema an Fahrt auf und an mehreren Stellen sind Projekte entstanden.» Beispielsweise wird auf dem ehemaligen Quelle-Areal fleißig gepflanzt, gegossen und geerntet. Die Mitmach-Gärten erfreuen sich wachsender Beliebtheit, das Hofgärtchen vom Bund Naturschutz in der Altstadt werde geradezu überrannt, so SÖR.
Ein weiteres Nürnberger Projekt ist der interkulturelle Garten, in dem Menschen verschiedener Herkunft eigene Beete mit etwa 25 Quadratmeter Größe bearbeiten sollen – «ohne Zaun zum Nachbarn und bewusst im Austausch über Gärtnerisches und Alltägliches», wie die Betreiber auf ihrer Internetseite schreiben. Alle Grundstücke werden als Gemüse- und Blumengärten genutzt.
Doch nicht überall stößt das Gärtnern auf städtischen Flächen auf Interesse. In Bamberg etwa wurde das Projekt «Mietäcker» vor wenigen Tagen wieder eingestellt. «Die Resonanz war einfach zu gering», sagt Stadtsprecher Tim-Niklas Kubach. Bamberg hatte seinen Bürgern 20 Parzellen zu je 50 Quadratmetern am Stadtrand angeboten. Diese konnten für 25 Euro jährlich angemietet werden. Aber selbst nach mehrmaligem öffentlichen Aufruf habe sich kaum jemand dafür interessiert. «Urban Gardening ist wohl eher ein Großstadtphänomen», meint der Stadtsprecher. «In Bamberg haben viele Menschen eigene Gärten und deswegen vermutlich kaum Interesse.»
Quelle: dpa