Ob für kleine Notizen oder große Kunst, ob für Hochliteratur oder Hobbymalerei: Auch im digitalen Zeitalter sind Stifte heute ebenso unentbehrlich wie früher. Dass Menschen weltweit darauf Zugriff bekamen, ist besonders einem Mann zu verdanken: Lothar von Faber, der vor genau 200 Jahren geboren wurde.
Mit Bleistift schreiben Schüler ihre ersten Buchstaben, werden Häuser und Autos entworfen, Einkaufszettel und Weltliteratur verfasst. Seit seiner Entwicklung im 16. Jahrhundert hat das Utensil große Geister inspiriert – von Johann Wolfgang von Goethe über Vincent van Gogh bis zu Pablo Picasso, von Günter Grass bis Karl Lagerfeld.
Dass der Bleistift – als Basis- und quasi Vorläufermodell aller heute gebräuchlichen Schreib- und Zeichengeräte – bereits im vorvergangenen Jahrhundert die Welt erobern konnte, liegt vor allem am Pioniergeist eines deutschen Unternehmers: Lothar von Faber (1817 – 1896), der die familiäre Manufaktur im fränkischen Stein zur globalen Marke ausbaute. Das gelang dem Nachkommen in vierter Generation, der 1839 die Firmenleitung übernahm, durch entscheidende Qualitätsverbesserungen, der Erschließung internationaler Produktions- und Vertriebswege und dem Aufbau eines Markenrenommées. Der in Ökonomie ebenso wie in Gestaltung bewanderte Jungunternehmer wollte nichts weniger als „... mich auf den ersten Platz emporzuschwingen, dadurch, dass ich das Beste mache, was überhaupt in der Welt gemacht wird.“
So optimierte Lothar von Faber das Verfahren für die Beschaffenheit der Bleistiftminen, wodurch es erstmals möglich wurde, Bleistifte in verschiedenen Härtegraden herzustellen. Der fränkische Visionär modernisierte die heimischen Fabrikationsanlagen, suchte, gewissermaßen als „Global Player“, weltweit nach den damals besten verfügbaren Rohstoffquellen – und sicherte sie sich auch gleich.
Dank Graphit aus Sibirien und Zedernholz aus Florida gelang es ihm, die legendären Kopierstifte „Polygrades“ zu perfektionieren und wenig später sechseckige Stifte zu präsentieren – mit dieser revolutionären Form wurden sie die Prototypen jener Modelle, die heute praktisch auf jedem Schreibtisch liegen, und mit ihrer goldenen Kennzeichnung „A.W. Faber“ die ersten Markenschreibgeräte überhaupt. Von Faber errichtete ein Vertriebsnetz mit Niederlassungen in New York, London, Paris, Wien und Sankt Petersburg; schließlich reichte es bis zum Vorderen Orient und China. Ebenso konsequent erweiterte er die Angebotspalette: Zu den Bleistiften gesellten sich Schreibutensilien, Künstler- und „Bureau“-Bedarf aller Art.
Geschichte schrieb von Faber auch als Führungspersönlichkeit. Seiner Belegschaft bot er soziale Absicherungen, lange, bevor diese gesetzlich verankert wurden. Er gründete eine Betriebskrankenkasse, die „Lebensversicherungs-Bank“, kümmerte sich um Bildungs- und Sporteinrichtungen und engagierte sich für ein vereinigtes Europa. In Zeiten von Brexit und Isolationsbestrebungen von West bis Ost klingen seine Worte aus dem Jahr 1879 geradezu verblüffend aktuell: „Hoffen wir, dass vor allem die Völker der ... europäischen Großmächte sich zu einem Modus vereinigen, durch welchen in dauernder Weise ein gesicherter Rechtszustand für alle Nationen ermöglicht wird. Ein europäisches oder internationales Parlament... wäre wohl am ehesten geeignet... Das europäische politische Gleichgewicht wäre dadurch geschaffen und das ökonomische würde sich alsdann von selbst finden.“
Diesen Werten fühlt sich Faber-Castell, der weltweit führende Hersteller von Bunt- und Bleistiften, bis heute verbunden. Wie sehr von Faber die DNA des Unternehmens geprägt hat, zeigen die für den Sommer geplanten Feierlichkeiten anlässlich seines 200 Jahre zurückliegenden Geburtstags: Eine Sonderausstellung, die am 12.6. eröffnet wird, und Lesungen im Schloss Faber-Castell ehren Leistung und Leben des Bleistift-Pioniers; eine Neuauflage der legendären Polygrades-Bleistifte in einer limitierten Edition die zeitlose Ästhetik seiner Entwürfe.