München – Mit Holger G. hat nun im NSU-Prozess ein weiterer Angeklagter zugegeben, den mutmaßlichen Neonazi-Terroristen geholfen zu haben. Holger G. brachte dem untergetauchten Terror-Trio Papiere, Geld und sogar eine weitere Waffe – als Freundschaftsdienst, sagte er. Dass sie damit Mordanschläge verübten, habe er sich nicht vorstellen können.
„Ich habe es nicht für möglich gehalten, dass die Drei möglicherweise Gewalt in dem hier vorgeworfenen Ausmaß gegen andere ausüben könnten“, hieß es in der schriftlichen Erklärung, die er heute vor dem Münchner Oberlandesgericht verlas. Für ihn gab es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Drei über ihr Leben im Untergrund hinaus Straftaten begehen würden. Sie hätten stets beteuert „keinen Scheiß“ zu machen. So habe er mit seinem Führerschein nicht ermöglichen wollen, dass Wohnmobile angemietet und Menschen getötet werden. So etwas habe er sich nicht mal in seinen schlimmsten Träumen vorstellen können.
Holger G. entschuldigt sich bei den Angehörigen
Den Angehörigen der Opfer sprach er sein Mitgefühl aus. „Ich selbst bin entsetzt über das Leid, welches diese sinnlosen Taten über die Opfer und ihre Familien gebracht haben.“ Was er getan habe, tue ihm fürchterlich leid, sagte er. „Ich möchte mich dafür entschuldigen.“, fügte Holger G. hinzu.
Fragliche Freundschaftsdienste
Er gab zu, dass er Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos über Jahre bei ihrem Leben im Untergrund unterstützt hatte. „Ich habe das damals gemacht, weil ich meinen Freunden helfen wollte. Ich fühlte mich ihnen als Freund verpflichtet“, begründete er seine Unterstützung. Im Jahr 2000 oder 2001 habe er zum Beispiel im Auftrag des ebenfalls angeklagten Ralf Wohlleben eine Pistole zu den Dreien transportiert. Wohlleben habe ihm den Beutel in die Reisetasche gesteckt und er habe erst im Zug bemerkt, dass eine Waffe drin war. Zschäpe habe ihn am Bahnhof in Zwickau abgeholt. In der Wohnung der Drei habe dann einer der beiden Männer die Waffe herausgeholt und vor seinen Augen durchgeladen. Für Zschäpe könnte diese Aussage belastend gewertet werden, für Wohlleben erst recht.
Tatsachen werden versucht relativiert zu werden
Bundesanwalt Herbert Diemer sprach nach der heutigen Verhandlung von „reinen Schutzbehauptungen“. Es sei „nicht ungewöhnlich, dass ein Angeklagter, nachdem er mit der Anklage konfrontiert wird, mit aller Macht versucht, die Dinge vielleicht doch noch zu relativieren.“
Gespaltene Meinungen zur Glaubwürdigkeit
“Glaubhaft war das nicht“, meinte auch Nebenklage-Anwalt Sebastian Scharmer. Holger G. versuche sich selbst rauszureden und andere zu belasten, so Scharmer. Seine Mandantin nehme dem Angeklagten die Entschuldigung nicht ab. Andere Nebenklagevertreter werteten die Einlassung nicht so negativ. Angelika Lex bezeichnete die Erklärung als erstes Zeichen. „Wie man das bewertet, hängt sicherlich auch davon ab, ob er bereit ist, Fragen zu beantworten. Man muss das alles noch einer Glaubwürdigkeitsprüfung unterziehen.“ Opferanwalt Jens Rabe sprach von einer Geste, die man nicht zu gering schätzen solle.
Die Verhandlung wurde nach der Erklärung beendet. Holger G. wollte keine Fragen beantworten. Der Prozess wird am kommenden Dienstag fortgesetzt. Dann soll voraussichtlich der Angeklagte Carsten S. weiter vernommen werden.
Quelle: dpa