So, 19.01.2014 , 13:15 Uhr

Experten warnen: Blindgänger werden kommende Generationen weiter beschäftigen

Der Fund zweier Weltkriegs-Fliegerbomben innerhalb weniger Wochen in Nürnberg zeigt es: Auch fast 70 Jahre nach Kriegsende stößt man in deutschen Städten immer wieder auf Blindgänger, Granaten oder Munitionslager. Dem Kampfmittelräumdienst geht die Arbeit nicht aus. 

 

Im Dezember legte ein Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg Teile der Nürnberger Innenstadt lahm – und nur wenige Wochen später musste dort schon wieder eine Fliegerbombe entschärft werden. Blindgänger und Weltkriegsmunition werden die Deutschen nach Ansicht von Experten noch auf lange Zeit immer wieder in Atem halten. «Man muss sich auf ein mehrere Generationen langes Weitersuchen und Entschärfen von Blindgängern einstellen», glaubt Sprengstoffexperte Andreas Heil. 

 

Fast 70 Jahre nach Kriegsende liegen in deutschen Böden und Gewässern noch zahlreiche Bomben und Waffen. Besonders belastet sind Stadtzentren, die im Krieg bombardiert wurden. Auch Gegenden um ehemalige Munitionslager und Militärflughäfen, wie Giebelstadt im Kreis Würzburg, wurden mit Bomben überzogen und sind noch immer stark belastet. «Es gibt aber keinen Bereich in Bayern, wo man sagen kann, da liegt überhaupt nichts», warnt der Experte. 

 

Bei jedem Neubau ist eine Bodenuntersuchung Pflicht

 

Über 1000 Einsätze und rund 60 Tonnen Kampfmittel kommen im Freistaat jährlich zusammen und es wird nicht weniger. «Das Problem ist, dass wir natürlich nicht den Marienplatz umgraben können, weil die Münchener Innenstadt bombardiert wurde», erklärt Oliver Platzer, Sprecher des Bayerischen Innenministeriums. Großaktionen sind extrem teuer, deswegen werden die Kriegslasten nach und nach entfernt. Oft werden Blindgänger auf Baustellen entdeckt – wie zum Beispiel beim Fund einer Bombe unter der ehemaligen Kultkneipe «Schwabinger 7». Deswegen ist bei jedem Neubau eine gründliche Bodenuntersuchung Pflicht. Wird Munition, Gift oder eine Bombe gefunden, zahlt der Bauherr nur für die Suche, das Land übernimmt die Räumung. 

 

Bayern beschäftigt dafür seit 2001 die darauf spezialisierte Firma Tauber. Hier arbeitet Andreas Heil. Er ist Schnittstelle zwischen Ministerium und Sprengkommandos. Viele der speziell ausgebildeten «Feuerwerker» waren bei der Bundeswehr. Natürlich sei der Job gefährlich, doch der letzte Todesfall bei Tauber sei 25 Jahre her. «Wir sind, Gott sei Dank, eine Hochsicherheitsbranche. Die Leute haben Zeit und lassen sich nicht drängen.» 

 

Nicht jede Bombe kann sicher entschärft oder abtransportiert werden, dann muss weiträumig evakuiert und kontrolliert gesprengt werden, wie beim Schwabinger Blindgänger 2012. Die Auswirkung der Explosion lässt sich etwas eindämmen, beispielsweise mit Matten, Stroh oder Wasser. Jede Bombe abzupolstern, sei aber keine Lösung. «Wenn Sie die Bombe zu gut einpacken, dann geht die Druckwelle in den Boden und beschädigt die Infrastruktur», erklärt Heil. Zehn Feuerwerker stehen in Bayern bereit. Sie rücken aus, sobald ein verdächtiger Gegenstand gemeldet wird. 

 

Giebelstadt ist eine Ausnahme: Hier wurden in den vergangenen Jahren bereits 200 Hektar durchkämmt, weitere sollen folgen. Denn um den alten Flugplatz wurden 10 000 Fliegerbomben abgeworfen, immer wieder stießen Bauern auf Blindgänger. Ein Härtefall, entschied der Freistaat, und übernahm zwei Drittel der Kosten. Auch in und um Kitzingen könnte es bald eine ähnliche Aktion geben. Denn auch hier befand sich ein Fliegerhorst der Wehrmacht. 

 

Tonnenweise Kampfmittel in Nord- und Ostsee

 

Eine Mammut-Aufgabe wartet unterdessen auch sehr viel weiter im Norden – am Grund von Nord- und Ostsee. Hier liegen tonnenweise Kampfmittel, die nach dem Krieg versenkt wurden. «Das stellt eine große Gefahr dar», sagt Andreas Heil. «Es gibt immer wieder Überlegungen, einen großen Batzen davon zu heben, aber das ist wahnsinnig teuer.» Auch in Binnengewässern liege Kriegsmaterial, sogar im Starnberger See. «Das Baden dort ist nicht gefährlicher als der Weg dahin», sagt Heil, deswegen gelte weiterhin: «Nicht anfassen und gleich die Polizei rufen, wenn Sie einen unbekannten Gegenstand sehen.»

 

<Quelle: dpa>

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